Es ist 12 Uhr am Samstagmittag im Lichthof der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. In der Ecke stehen 50 große Pizzakartons, die Kaffeemaschine läuft heiß. An 37 Tischen sitzen knapp 200 Entwickler*innen hoch konzentriert vor ihren Computern. Außer Tastaturanschlägen und dem gelegentlichen Rascheln einer Snacktüte ist es still im Saal. Hier und da haben es sich Leute mit Kissen und Decken auf den Sofas bequem gemacht. Auch falls die Kreativität mal ins Stocken gerät, ist für Abhilfe gesorgt. Ein großer Tisch voller Lego, Knete, Bällen und anderen Kreativgegenstände ist für alle zugänglich.
Diese besondere Atmosphäre herrschte am Wochenende beim THE LÄND Global Games Jam Baden-Württemberg. Ein Programmierevent, bei dem die Teilnehmer*innen in 48 Stunden Spiele entwickelten. Die Veranstaltung in Karlsruhe war Teil eines weltweiten Events. Von den knapp 800 Sites gehörte die THE LÄND GGJ BW zu den 20 größten weltweit. Überall auf der Welt programmierten zeitgleich Spiele-Interessierte Games zum vorgegebenen Thema – dieses Jahr "Make me laugh".
Veranstaltet wurde der THE LÄND Global Game Jam von der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg im Rahmen von HOLA – dem hochschulübergreifenden Labor für kooperatives Arbeiten, gemeinsam mit der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Doch warum organisierte die MFG Baden-Württemberg so ein großes Programmierevent?
Ein Event bringt Games-Akteure aus ganz Baden-Württemberg zusammen
"Der Anspruch war es, verschiedene Gruppen von Games Akteuren aus ganz Baden-Württemberg zusammenzubringen – das ganze Ökosystem", erklärte Dr. Andrea Buchholz, Projektteamleiterin bei der MFG Baden-Württemberg. Angefangen bei Games Studierenden im 1. Semester, die noch nie bei einem Game Jam mitgemacht haben, über Absolvent*innen mit viel Know-how bei der Erstellung von Games bis hin zu etablierten Game Studios. Sie nutzten das Event, um aktuelle Trends an den Hochschulen zu identifizieren und um potenzielle Mitarbeiter*innen zu akquirieren.
"Was ich von den anderen Teilnehmer*innen mitnehmen und lernen kann, ist die Kreativität. Man denkt hier nochmal ganz neu über eine Game-Idee nach. Wir arbeiten teils sehr lange an einem Projekt und dieses Mindset, nochmal frisch an eine Sache ranzugehen, das können wir von den anderen mitnehmen", berichtete Simon von Creactstudios.
Beim Global Game Jam treffen verschiedene Fachrichtungen aufeinander
Der große Mehrwert der Veranstaltung war neben der Vernetzung von Personen mit verschiedenen Levels an Know-How die Begegnung zwischen verschiedenen Disziplinen und Hochschulen.
"Ein wichtiger Aspekt für die teilnehmenden Studierenden ist, dass sie auch außerhalb ihres eigenen Fachgebietes mit Menschen zu tun haben. Programmierer arbeiten mit Artists und Artists mit Sound-Experten, das erweitert deren Portfolio und Netzwerk", freute sich Prof. Dominik Rinnhofer, Professor für Game-Design an der Hochschule Macromedia Stuttgart.
Vor Ort waren auch Studierende der Hochschule für Musik Karlsruhe und Germanistik-Studierende der Universität Tübingen. Sie brachten wertvolles Know-how mit in die Teams, "denn sowohl Sound als auch Storytelling sind wichtige Bestandteile von Games, werden aber in Gaming-Studiengängen weniger stark beleuchtet", erklärte Andrea Buchholz.
Ein gutes Beispiel für hochschulübergreifende Zusammenarbeit war das Team von Patricia. Sie hat drei ihrer Teamkolleg*innen bei HOLA Serious Games 2022 kennengelernt. Sie selbst studiert Informatik in Stuttgart, ihre Teamkolleg*innen Digital Humanities in Tübingen. Sie nutzten den Global Game Jam, um erneut gemeinsam zu arbeiten und sich noch besser kennenzulernen.
Initiativen aus dem Land waren mit dabei
Nicht nur Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen sind nach Karlsruhe gereist. Auch Initiativen, die sich in Baden-Württemberg gegründet haben, nahmen am Game Jam teil. Darunter der Godot Stammtisch aus Karlsruhe und die Spieleentwicklung Bodensee. Deren Mitglieder sind nach Karlsruhe gekommen, um sich zu vernetzen und um auf sich aufmerksam zu machen. „Als wir gefragt wurden, ob wir uns einem großen Game Jam anschließen wollen, haben wir uns gedacht: Ja klar, warum nicht? Einfach mal was Anderes, neue Leute und eine neue Umgebung sehen und deshalb sind wir heute hier,“ berichtete ein Mitglied der Spieleentwicklung Bodensee.
Die LÄNDing Page brachte die Leute zusammen
Vernetzung ohne Chaos – das war die größte Herausforderung des Game Jams. Wie bilden sich Teams aus knapp 200 Personen? Das Vorgehen ähnelte einem Aufruf in der Zeitung: „Entwicklerteam aus vier Personen mit den Expertisen Sound, Programmierung und Level Design sucht Artist“. Diese Aufrufe wurden dann auf die "LÄNDing Page" geklebt. Einzelne Teilnehmer*innen, die ohne Team zur Veranstaltung gekommen sind, konnten so sehen, welches Team zu ihnen passt, und wo ihr Know-how gebraucht wurde.
Der Applaus übertüncht die Müdigkeit
Die Müdigkeit sah man den Teilnehmer*innen nach 48 Stunden Arbeit deutlich an. Nichtsdestotrotz feierten sie die entwickelten Spiele bei der Abschlusspräsentation mit tosendem Applaus. Das Thema "Make me laugh" setzten die Teilnehmer*innen augenscheinlich gut um, denn bei einigen Spielen kamen die Anwesenden aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Die Global Game Jam Website veröffentlicht die entstandenen Spiele im Nachgang Stück für Stück. Ein Teaser der Spiele ist bereits jetzt schon auf YouTube verfügbar. Im Flickr-Album finden sich die Highlights des Wochenendes.
Nur durch Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, einigen Sponsoren wie Gameforge und kr3m sowie einem starken Partnernetzwerk von 11 Hochschulen und sieben Game-Studios konnte ein solches Event auf die Beine gestellt werden. Auch wenn nach 48 Stunden alle müde sind, bedanken sich die Teilnehmenden für das einzigartige Jam-Erlebnis. Vielleicht sieht man sich beim nächsten THE LÄND Global Game Jam BW.
Autorin: Zoe Jakob/MFG
Mehr Infos:
