Digitalen Wandel in Kultureinrichtungen zulassen, nutzen und verstetigen

Eine Reflexion zum Stellenwert von Digitalität und der Rolle der Digitalmanagerin an der Kunsthalle Karlsruhe.

Frau hält ein Tablet mit Infos zur Kunsthalle Karlsruhe.
Die Kunsthalle Karlsruhe ist digital aktiv. | Foto: Bruno Kelzer

Im Oktober 2023 sprach Tabea Schwarze, Digitalmanagerin an der Kunsthalle Karlsruhe, im Rahmen der 5. kulturBdigital-Konferenz über ihre Rolle und den Umgang mit dem digitalen Wandel an einem der Staatlichen Museen in Baden-Württemberg. Wir bedanken uns für die Verschriftlichung des Beitrages als Gastbeitrag zur ersten Ausgabe des Digitale Kultur-Newsletters 2024.

178 Jahre Tradition im Wandel

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Kunstmuseen Europas. Sie verwahrt eine Sammlung aus 800 Jahren europäischer Kunstgeschichte. Das Hauptgebäude der Kunsthalle wurde 1846 eröffnet und befindet sich seit November 2021 in einer sanierungsbedingten Schließphase, die noch bis voraussichtlich Ende 2029 andauern wird. Ein tiefgreifender Transformationsprozess für ein Haus, das sich seit 178 Jahren dem Bewahren widmet.

Natürlich wollen und müssen wir vor allem in dieser Zeit die Chancen des Digitalen nutzen und hier – neben analogen Interimsangeboten – für unsere (noch-Nicht-)Besucher*innen verfügbar und aktiv präsent sein.

Der Bildungsauftrag im digitalen Zeitalter

Im Jahr 2024 wird das Digitale in einigen Museen noch immer als nice-to-have, Projekt oder Marketing verstanden. Dabei haben Museen einen in ihrem Leitbild festgeschriebenen Bildungsauftrag: Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Bildung gilt nicht nur für diejenigen, die Museen vor Ort besuchen können, sondern für alle. Entsprechend ist die Frage, wie die Museumsinhalte online zugänglich und erfahrbar gemacht werden können, eine wesentliche.

Ein Marathon mit Hindernissen

Noch sind nicht alle vollumfänglich von den Möglichkeiten des Digitalen überzeugt. Vielen Einrichtungen fehlen Ressourcen, Kapazitäten und die neu hinzukommenden Projekte und Anforderungen werden nicht weniger. Der digitale Wandel ist für traditionsreiche Institutionen ein Marathon mit Hindernissen.

„Die Sanierungsphase der Kunsthalle, die über allem stehenden Themen Nachhaltigkeit und Green Culture sowie zahllose tagesaktuelle Herausforderungen lassen das Digitale manchmal scheinbar auf der Dringlichkeitsagenda nach unten rutschen“, sagt Florian Trott, Geschäftsführer, Mitglied des Vorstands und Beauftragter für die digitale Strategie bei der Kunsthalle Karlsruhe. „Wir haben unsere digitale Transformation daher in den verschiedenen Bereichen der Arbeitskultur, der Infrastruktur und der digitalen Angebote sowie in verschiedenen Tätigkeitsprofilen verankert, sodass der digitale Wandel nicht aus dem Fokus geraten kann.“

Expertisen nachhaltig verankern

Die Kunsthalle Karlsruhe befindet sich seit 2020 in einer glücklichen Lage: Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst finanziert in den Landesmuseen Baden-Württembergs insgesamt 20 zusätzliche und dauerhafte Digitalstellen.

Im Falle der Kunsthalle ist eine der Stellen auf die IT-Organisation fokussiert und beschäftigt sich mit elementaren und immer wichtiger werdenden Themen wie IT-Sicherheit, Informations- und Datenmanagement, Anwendungsbetreuung sowie weiteren verwandten Themen.

Die zweite Stelle ist die des Digitalmanagements und hat ihren Schwerpunkt in der Konzeption und strategischen Weiterentwicklung von digitalen Angeboten, Audience Development im Digitalen, Management von Communities und Onlinemultiplikator*innen sowie den benachbarten Aufgabenbereichen.

Ein großer Vorteil der dauerhaften Stellen ist es, dass Learnings und Expertisen gebildet und im Haus nachhaltig genutzt werden können – eine notwendige Grundlage, um das Wissen in die verschiedenen Bereiche der Kunsthalle Karlsruhe einzubringen und damit langfristig die Digitalkompetenz zu erweitern sowie zu verstetigen.

Diese Kernkompetenz intern zu erarbeiten, statt sie über Agenturen und externe Dienstleister*innen einkaufen zu müssen, macht ein Haus erst im Digitalen autonom handlungsfähig und erlaubt einen nachhaltigen digitalen Wandel. Eine nachhaltige digitale Transformation setzt auch voraus, dass im gesamten Team ein Umdenken einsetzt. Für Häuser ohne Stelle mit explizitem Digital-Profil gilt es einmal mehr, in verschiedenen Aufgabenbereichen digitale Anteile zu verankern und Kompetenzen auszubauen. Das verdeutlicht auch, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, sondern eine zeitgemäße und notwendige Methode den verschiedenen Aufgaben der Museumsarbeit nachhaltig nachzukommen.

Keep it simple

Die Stellen für den digitalen Wandel haben umfassende Tätigkeitsprofile und Ressourcen sind begrenzt. Deswegen ist es in diesem Themenbereich besonders wichtig, gut zu priorisieren und Erwartungen realistisch zu managen. Dann lässt sich der digitale Wandel nachhaltig gestalten.

Entsprechend wichtig ist es, stets zu hinterfragen, ob eine Maßnahme für die anvisierte Zielgruppe und die aktuellen Ziele passend ist, oder ob es bei ihr um ein Hinterherjagen nach Buzzwords und kurzfristig gehypten Technologien geht. Auch wenn sich verlockende Gelegenheiten auftun, sollten die eigenen Prioritäten und Ziele abgewogen und gewichtet werden, um das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Die ständig wachsenden Möglichkeiten im Digitalen sind unerschöpflich“, sagt Daniela Sistermanns, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Pressesprecherin bei der Kunsthalle Karlsruhe. „Umso essentieller ist es aber, auch hier strategisch und nachhaltige Prioritäten zu setzen und Synergien zu schaffen, ohne dabei den Charakter des Digitalen außer Acht zu lassen.“

Eine Digitalstelle alleine macht noch keinen digitalen Wandel

Mit festen Digitalstellen kann im Team möglicherweise Freude und Erleichterung eintreten, dass alles Digitale nun an eine Position adressiert werden kann. Die Vorstellung, dass digitale Themen nun von einem selbst fernbleiben, entspricht jedoch nicht der Realität des digitalen Wandels. Eine nachhaltige digitale Transformation erfordert ein flächendeckendes Bewusstsein im Team dafür, dass die grundlegenden Säulen der Museumsarbeit, insbesondere im Hinblick auf Forschung, Bewahrung und Vermittlung, heute nicht mehr ernsthaft betrieben werden können, ohne das Digitale zu berücksichtigen und zu nutzen. Das Digitale sollte in die internen Prozesse integriert und genutzt werden, nicht nur als neues To-Do, sondern auch als Instrument zur Arbeitserleichterung, um die Vorteile klar erkennbar zu machen.

Empathy is key

Eine der größten Herausforderungen ist es, den digitalen Wandel im Haus zu verankern und möglichst viele Kolleg*innen mitzunehmen. Wir haben im Laufe der Jahre verschiedene Methoden erprobt, um digitale Anwendungen in den Arbeitsalltag zu integrieren und deren Effizienz oder Nutzen deutlich zu machen. Andere Methoden fokussieren die proaktive Auseinandersetzung mit digitalen Angeboten, den Ergebnissen ihrer Evaluierung sowie dem Feedback der Nutzer*innen. So werden strategische Entscheidungen nachvollziehbar und eine Vorstellung des Konstruktes der digitalen Besucher*innen greifbarer.

All diese Tools sollten aber immer wieder auf die Wirksamkeit und die Passgenauigkeit zu dem Team sowie zu den aktuellen Zielen geprüft werden. Teilweise nutzen sich die Effekte auch nach einiger Zeit ab, sodass die Methodik gewechselt werden sollte. Wichtig ist es zudem, ein Gespür für Fragestellungen und Bedenken zu entwickeln, um diese diskutieren oder auch ausräumen zu können.

Mit am wichtigsten ist es, sich immer das Ziel vor Augen zu halten: Menschen den Zugang zu den Inhalten des Museums zu ermöglichen und Arbeitsprozesse sowie museale Kernaufgaben nachhaltig und langfristig zu betreiben. Um das zu bewerkstelligen, müssen wir die Zielgruppen im Auge behalten. Dafür sollten Personen befragt werden, die noch keine Besucher*innen der Einrichtung sind. Ein Muss sind zudem Fokusgruppengespräche und Evaluationen bestehender Angebote. Das dient einem besseren Verständnis der Zielgruppe und verdeutlicht im Team, welchen Mehrwert digitale Angebote bringen und warum bestimmte Angebote die Zielgruppen nicht erreichen.

Netzwerke bilden und stärken

Die Bildung konstruktiver Netzwerke mit einer offenen Fehlerkultur, die andere an den eigenen Erfahrungen, Learnings und Expertisen teilhaben lässt – davon profitieren alle im Arbeitsalltag und es schont die begrenzten Ressourcen enorm.

Unter den Digitalmanager*innen der Landesmuseen Baden-Württembergs gibt es einen Austausch, der durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg veranstaltet und durch die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg moderiert wird. So wird sichergestellt, dass der Zweck sowie vor allem auch die gemeinsamen (Arbeits-)Ziele des Netzwerks im Blick behalten werden.

Sinnvoll ist es, neben der digitalen Kulturbubble auch ein Netzwerk mit anderen Digitalaffinen zu bilden, um neue Perspektiven zu erhalten. So können neue Sichtweisen eingenommen sowie Synergien und neue Partnerschaften gebildet werden.

Es ist eine Mammutaufgabe, den digitalen Wandel in Häusern zu verankern, die sich dem Bewahren verpflichtet haben. Sie kann nur mit Kooperationen, Synergien und Durchhaltevermögen gemeistert werden. Das Wichtigste ist dabei: Den Anfang zu machen und nie den Mut sowie das Ziel vor Augen zu verlieren.

Quelle: Tabea Schwarze

Mehr Infos:

Das war die kulturbdigital-Konferenz

Video-Aufzeichnung von Tabea Schwarzes Beitrag

Die digitale Kunsthalle Karlsruhe 
 

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