30 Studierende, 3 Monate, 5 Spiele – und jetzt?

Im MFG-Projekt HOLA Serious Games haben Studierende in fünf interdisziplinären Teams Games-Prototypen mit echtem Mehrwert entwickelt

Gruppenfoto mit allen HOLA Teilnehmenden 2022/23
Abschluss beim MFG-Projekt HOLA Serious Games: Die Teilnehmenden treffen sich bei THE CREÄTIVE HOUSE im Stuttgarter Haus der Wirtschaft | Bild: Yalla Yalla! / Dominique Brewing

Drei Monate – ein Zeitraum, der in der Spieleentwicklung nicht besonders lang ist. Dauern Entwicklungen großer internationaler Titel oft mehrere Jahre. Dennoch können in drei Monaten aus ersten Ideen Spiele werden. Und genau das haben die fünf Teams von HOLA Serious Games über die letzten Monate bewiesen. Begonnen hatten die 30 Studierenden unterschiedlicher Hochschulen und Fachrichtungen Ende Oktober. Ihr Ziel: einen Spiel-Prototyp zu entwickeln. Herausgekommen sind fünf spielbare Serious-Games zu fünf völlig unterschiedlichen Themen.

Serious Games müssen nicht zwingend reine Videospiele sein

„Ich dachte du fängst an.“, „Wir hatten doch gesagt, dass du zuerst redest.“ Mit diesen Sätzen beginnen Kim Deutschle und Simon Holzner vom Team It takes more than one als erstes Team des Abends mit der Vorstellung, dem Pitch ihres Spiels. Das Thema: zwischenmenschliche Beziehungen. Mit der kurzen, gespielten Szene stellen sie dar, wie leicht Missverständnisse in der Kommunikation auftreten. Der Prototyp, den das Teams entwickelt hat, ist kein rein digitales Videospiel, das auf PC, Smartphone oder Konsole gespielt wird, sondern eine Kombination aus App und analogen Spielelementen für mehrere Spieler.

Die Teilnehmenden schlüpfen in die Rolle von Angestellten einer reichen Familie, in der ein Mord geschieht. Um den mysteriösen Todesfall gemeinsam aufzuklären, ist vor allem eins zu tun: zusammenarbeiten, kommunizieren und diskutieren. Moralische und ethische Fragen abzuwägen ist dabei die zentrale Aufgabe, denn „it takes more than one“. Spielbar ist das Game bereits, fertig entwickelt noch nicht. Darum möchte das Team auch weiterhin an ihrem Serious-Game arbeiten.

Programmieren ohne Programmierkenntnisse

„Interessant und sehr cool – aber auch anstrengend.“ Mit diesem Satz fasst Alexander Schyr vom Team Ludomusicology die letzten drei Monate zusammen. Sein Team hat das Serious-Game „Meowlody“ entwickelt, das den Spieler*innen Musik und deren Einfluss in Games näherbringt. Das Spiel ist ein Jump‘n Run im Stil von Klassikern wie Nintendos „Super Mario". Spieler*innen müssen dabei die Spielfigur durch ein Level voller Plattformen und Gegner*innen bewegen.

Die Besonderheit bei „Meowlody“: Die Welt, in der sich Spieler*innen bewegen, ist aus Musik gemacht. Boden oder Plattformen, über die die Spielfigur läuft und hüpft, stellen Musik dar. Diese reagiert auf die*den Spielende*n und die*der Spielende auf die Musik. Eine der größten Herausforderungen für das interdisziplinäre Team war die Umsetzung, denn an Bord hatten sie nur eine Programmiererin. Diese aber vermittelte dem Team über die Zeit einfache Programmierkenntnisse. Wie es mit dem Projekt in Zukunft weitergeht, wird momentan besprochen. Motivation sei aber auf jeden Fall vorhanden, wie Schyr seinem Publikum von der Bühne aus erklärt. Am Stand von „Meowlody“ sitzen den ganzen Abend über Menschen, tragen Kopfhörer und probieren den Prototyp an den bereitgestellten Laptops aus.

Bewegung und Rätsel beim Arzt – und das in VR

Auch am Stand von VR Trail Walking wird fleißig getestet. Spieler*innen mit einer VR-Brille auf dem Kopf laufen langsam herum, bücken sich, greifen nach Gegenständen im virtuellen Raum. „Ist jemand von Ihnen zwischen 45 und 65 Jahre alt?“, fragt Julia Göke bei der Vorstellung des Spiels. „Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie: In wenigen Jahren wird sich Ihr Sturzrisiko verdoppeln.“ Und genau darum geht es bei dem VR-Spiel „Duranki“.

Mit dem Game soll die Sturzgefährdung von Menschen ermittelt werden. Dazu werden zeitgleich kleinere Rätsel und Bewegungsaufgaben gestellt. Spieler*innen verfolgen so in der virtuellen Welt eine abenteuerliche Reise zum heiligen Gral, während die VR-Sensoren in der realen Welt permanent Verhaltens- und Bewegungsdaten aufnehmen. Diese Daten werden von ärztlichem Personal ausgewertet, um weitere Diagnosen zum Sturzrisiko zu stellen. Ob das Team an „Duranki“ weiterarbeite, stehe aktuell noch nicht fest, wie Maria Vetter erklärt. Schaut man den engagierten Testspieler*innen zu, würde man sich dies aber wünschen.

Mit Games für Nachhaltigkeit sensibilisieren

„Throw the Planet away symbolisiert die Arroganz und Ignoranz vorheriger Generationen – also von Ihnen.“ Das Spiel, das Marina Banti vom Team Spielend die Welt verändern dem Publikum mit dieser Provokation vorstellt, hat sich Nachhaltigkeit und Klimaschutz als Themen vorgenommen. Das Serious-Game möchte ein Nachhaltigkeitsbewusstsein bei den Spielenden schaffen. Dabei wird Spaß im Spiel mit Wissensvermittlung kombiniert.

Spieler*innen versuchen in „Throw the Planet away“ als neugieriges Kind Umweltmissstände auf einer Insel zu lösen. Hierfür brächte das Spiel unter anderem die UN-Nachhaltigkeitsziele nahe, die sie im Spiel auch direkt als Argumente einsetzen könnten, erklärt Banti. Die so im Game vermittelten Informationen und Argumente sollten den Spieler*innen zeigen, dass Nachhaltigkeit auch so einfach sein könne wie das Werfen eines Balls. Für Banti waren die drei Monate mit HOLA Serious-Games eine lehrreiche Zeit. Ihr Fazit: „Wer es liebt, neue Fähigkeiten und Dinge zu lernen, sowie unter Zeitdruck und eigenverantwortlich einen Spiele-Prototyp zu erstellen, der ist bei HOLA richtig.“

Sich von Ideen trennen können

„Ich bin total begeistert, was für coole Sachen am Ende rausgekommen sind“, meint Kathrin Radtke vom Entwicklungsstudio Spellgarden Game. „Alles was ich bisher gespielt habe, macht schon richtig viel Spaß.“ Sie hat über die drei Monate das Team Spielend die Welt verändern als Mentorin begleitet. Auch den anderen vier Teams wurden erfahrene Personen aus der Spieleindustrie als Mentor*in zur Seite gestellt. „Natürlich ist die Zeit nicht ohne Herausforderungen gewesen“, erzählt sie. Aber das sei in der Spieleentwicklung immer so. Vor allem der Kontrast zwischen den großen Ideen und dem, was in der begrenzten Zeit umsetzbar war, hat die Studierenden vor Herausforderungen gestellt. „Man muss sich manchmal von Sachen und Ideen trennen, die man gerne gemacht hätte.“ Das gehöre aber eben auch zur Entwicklung dazu. „Ich bin stolz, dass die Teams das so gut geschafft haben“.

Mit einer App raus aus der Isolation

Die Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung von HOLA Serious Games haben sich entschieden, das Haus zu verlassen, zu der Veranstaltung zu reisen und sich dort unter Menschen zu begeben. Was aber ist mit Menschen, die genau das nicht können, die soziale Kontakte meiden und sich zu Hause isolieren – Menschen mit dem Cave-Syndrom? Für diese Personen hat das Team Raus aus dem Cave – zurück ins Glück in den drei Monaten ein Serious-Game entwickelt. „Compet – Pet Simulator“ soll Betroffene langsam wieder an ein Leben mit sozialer Interaktion heranführen. Teammitglied Ayce Oezer erklärt: „Compet – Pet Simulator“ wurde als App für Smartphones konzipiert, in dem sich Spieler*innen um ein digitales Haustier kümmern sollen." Und so würden Personen mit dem Cave-Syndrom nach und nach für Aktivitäten belohnt, die irgendwann außerhalb der eigenen vier Wände stattfänden.

Wenn Archäologen durch Games Geschichten erzählen

Drei Monate voller Lernerfahrungen, Ideen und Entwicklung – und das hochschulübergreifend. Jedes Team hat völlig unterschiedliche Erfahrungen gemacht und Probleme gemeistert. Der letzte Punkt des Abschlussworkshops ist die Auszeichnung aller Teams für ihre Arbeit. Projektleiterin Andrea Buchholz zieht ein erstes Resümee: „Die Interdisziplinarität der Teams trägt wesentlich zur Qualität der Spiele bei. Das kann besonders für Serious Games ein riesen Asset sein. Ein Archäologe etwa hat einen anderen Zugang zu Storytelling als eine Game-Entwicklerin. Diese Verbindungen wollen wir in HOLA weiter verstärken.“

Was bleibt nach drei Monaten HOLA Serious-Games? Aus 30 Studierenden unterschiedlichster Fachrichtungen sind fünf Teams geworden. „Es gab Leute, die hatten vorher fast nichts mit Spielen zu tun. Man könnte sie aber jetzt in ein Entwicklerteam stecken, wo sie gut reinpassen würden.“, fasst Alexander Schyr vom Team Ludomusicology zusammen. Am Ende stehen fünf Teams und fünf sehr unterschiedliche Serious-Games. Was sie verbindet? Sie wollen spielend die Welt verändern.

Text: Maximilian Becker

Mehr Infos:

  HOLA Serious Games
Flickr-Album HOLA Serious Games

 

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Kontakt

Dr. Andrea Buchholz
Dr. Andrea Buchholz

Leiterin Projektteam Talent- und Forschungsförderung

Unit Kultur- und Kreativwirtschaft