Ton, Steine, Daten – neu aufgelegt und abgemischt

Die Projektergebnisse des Hackathons Coding da Vinci Baden-Württemberg können sich sehen lassen. Beim großen Finale im Landesmuseum Württemberg wurden Preise in fünf Kategorien verliehen.

Aufnahme des Publikums aus der Vogelperspektive
Preisverleihung am 24. Juni 2022: Auszeichnungen in den Kategorien Most Technical, Best Design, Most Fair, Most Curious und Everybody’s Darling | Bild: Tanja Meißner

Troia – sagenhafte untergegangene Stadt, ein Zentrum der hellenistischen Welt, Schauplatz von Göttermythen und Heldenepen. Bis heute ist umstritten, ob der Archäologe Heinrich Schliemann die Ruinen der antiken Metropole in der heutigen Türkei wirklich ausgegraben hat. Fest steht, Troia gehört zu unserem Bildungskanon und Kulturerbe. Alle, die Lust haben, können jetzt tiefer eintauchen in die Ruinen und sie im 3D-Modell wieder aufbauen. Im Game „Troia erleben“ kann man die zerstörte Stadt wieder zum Leben erwecken, indem man Mini Games besteht und Rätsel löst. Jenseits vom oft trockenem Geschichts- oder Altgriechisch-Unterricht bietet das Computerspiel einen interaktiven, persönlichen Zugang zu Troia, mit Heinrich Schliemann als Tourguide.

Das Computerspiel basiert auf dem Datenset „Troja – (Ge)schichten in Ton, Steinen & Scherben“ des Museums der Universität Tübingen, wo es auch ab dem Herbst in der Troia-Ausstellung seinen Platz finden soll. Mit diesem Projekt hat ein sechsköpfiges Team den Publikumspreis beim Finale von Coding da Vinci Baden-Württemberg abgeräumt. Über 20 Projekte stellten die Teams aus Coder*innen, Kreativen, Studierenden verschiedenster Fachrichtungen sowie Kultur- und Technikinteressierten beim Abschlussevent des Kultur-Hackathons am 24. Juni 2022 im Landesmuseum Württemberg vor.

Feierliche Preisverleihung als großes Finale in Stuttgart

„Technik und Kultur vertragen sich offensichtlich sehr gut miteinander,“ so Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, in ihrem Grußwort: „Der freie und kreative Umgang mit Kulturdaten, wie er bei Coding da Vinci praktiziert wird, ermöglicht eine gewinnbringende Zusammenarbeit etablierter Kultureinrichtungen mit der Coding-Szene sowie mit Studierenden und Kreativschaffenden. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt der digitalen Öffnung unserer Institutionen.“

Macht eine Anwendung an der Schnittstelle von Mode und Augmented Reality moderne Kunst für Besucher*innen zugänglicher? Wie können wir historische Zeitungen möglichst einfach nach relevanten Geschehnissen durchsuchen? Mit solchen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmenden des Kultur-Hackathons in den letzten Wochen. Die Projektteams entwickelten mit offenen Daten von 34 Kultureinrichtungen aus ganz Baden-Württemberg Prototypen für digitale Anwendungen. Über 150 Teilnehmende waren bei der Preisverleihung in der Dürnitz Kulturlounge des Landesmuseums Baden-Württemberg dabei.

„Wir freuen uns enorm darüber, dass so viele Lust auf diesen Hackathon hatten“, sagte Beate Lex, Leiterin des Bereichs Digitale Kultur bei der MFG Baden-Württemberg, Mitveranstalterin von Coding da Vinci Baden-Württemberg 2022. Auch Philippe Genet, Leiter der Coding da Vinci Geschäftsstelle, freute sich über die große Resonanz: „Ihr Projektteams seid es, die für mich die größte Motivation und das größte Argument für die Veranstaltungen sind. Ihr verleiht der Veranstaltung ihren Sinn und macht Coding da Vinci zu dem was es ist: ein Experimentierfeld voll Kreativität, Freude, Spannung und Überraschung.“

Von Visualisierungen bis zu spielerischen Anwendungen

Die Teams präsentierten ihre Projekte vor Ort und im Livestream. Und sie konnten auch ausprobiert werden: „Hands on“ und „Let's Play“ hieß es am Nachmittag im Reinhold Würth Saal, der zum geschäftigen Hackathon-Marktplatz wurde. Entstanden sind digitale Anwendungen von enormer Bandbreite: von Daten-Visualisierungen und 3D-Modellierungen über Games bis hin zu spielerischen Anwendungen mit Einsatz von Augmented-Reality-Elementen oder künstlicher Intelligenz.

„Es kommen Sachen dabei raus, auf die kommen wir im Museum schlichtweg nicht“, lobte Astrid Pellengahr, Direktorin des gastgebenden Landesmuseums Württemberg, die Kreativität der Teams. Neben den Publikumspreis wählte eine Jury die besten Ideen in vier Kategorien aus:

Auszeichnungen in fünf Kategorien

Most Technical: FLECTURE – reflections of ARTxFASHION

Anna-Saray, Raimund, Marius und Dennis von der Programmierschule 42 Heilbronn kreierten einen „Magic Mirror“. Die technisch komplexe Installation ermöglicht es, aus Kunstwerken generierte Mode im eigenen Spiegelbild zu erleben. Das Modell eines Kleidungstückes mit der Textur eines ausgewählten Gemäldes wird mit Hilfe von Kamera, Touchdisplay und künstlicher Intelligenz dargestellt. Das Projekt holt Motive und Farben aus 236 Kunstwerken der Staatsgalerie Stuttgart im Kontext von Mode und Technologie in die heutige Zeit.

Best Design: Italiensehnsucht – Mysterium des Fohr

Das Rollenspiel von Erik, Schara, Wessam und Marie-Hélène (Universität Tübingen) vereint Zeichnung und Malerei der Romantik, Retro-Optik früher Videospiele und eigens erstellte Illustrationen. Im Spiel begegnet man dem Geist des Künstlers Carl Philipp Fohr und begibt sich auf die Spuren einer Künstlergruppe, welche sich im 19. Jahrhundert im Caffè Greco in Rom traf. Die Entwicklung des Spiels ging von italienischen Landschaftsmalereien und Porträts der Heidelberger Romantiker aus, die zu den größten Schätzen des Kurpfälzischen Museums Heidelberg zählen.

Most FAIR: ansights

Das Projekt „ansights“ ermöglicht es, Dokumente inhaltlich automatisiert auszuwerten und diese mit Inhalten historischer Zeitungen verknüpfen. „ansights“ generiert automatisch Schlagworte aus hochgeladenen Dokumenten und verknüpft sie miteinander. Die Ergebnisse werden visuell erfasst und anhand ihres inhaltlichen Überschneidungsgrades aufbereitet. Die Anwendung bezieht Datensätze unterschiedlicher Herkunft mit ein: Universitätsbibliothek Mannheim, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Gemeinsame Normdatei (GND) und Wikidata.

Most Curious Approach: ScrapHumor

Das internationale Projektteam „ScrapHumor“ verhandelt in seinem Kartenspiel die großen Themen Humor und Subjektivität. Geschichten des Comicautors René Schweizer aus der Sammlung von HumorCare e.V. treffen auf kuriose Exponate des Landesmuseums Württemberg. Das analoge Kartenspiel findet seine Erweiterung in den virtuellen Raum mit Hilfe digitaler Tokens, durch welche man nach einem gewonnenen Spiel eine der liebevoll gestalteten Spielkarten als NFT (non-fungible token) erhalten kann.

Everybody‘s Darling: Troia erleben

Jana, Claire-Marie, Stephanie, Dennis und Corvin gestalteten ein Aufbauspiel, in dem es darum geht, die verschiedenen Phasen und die gefundenen Artefakte der Stadt Troia kennenzulernen. Mit kleinen Minigames wird die durch eine Katastrofe zerstörte Stadt wieder aufgebaut. Die verwendeten Daten mit Fotografien originaler Keramiken, archäologischen Fundzeichnungen und Karten stammen aus dem MUT – Museum der Universität Tübingen. Das Spiel könnte künftig für das Publikum im Museum zugänglich gemacht werden und Troia für jeden spielerisch erlebbar machen.

Bogenschießen im virtuellen Raum und vieles mehr

Alle Projekte stehen nun zur Ansicht und offenen Nutzung online zur Verfügung und können von Interessierten in Zukunft weiter bearbeitet werden. Reinschauen lohnt sich, neben den ausgezeichneten Anwendungen finden sich hier viele andere spannende Ideen, zum Beispiel das Videospiel Flugblättlefieber, das ein historisches Medium vermittelt samt der politischen und gesellschaftlichen Kontexte. „Es hat viel Spaß gemacht, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen und ein Konzept rund um das Medium Flugblatt zu entwickeln“, heißt es aus dem Projektteam.

Oder Yabusame!! – ein Serious Game mit Bogenschießen in Virtual-Reality-Umgebung. Hier wurden die japanischen Emakimono-Bildrollen aus dem Hornmoldhaus Bietigheim-Bissingen in den dreimensionalen Raum transferiert, um historischen Kontexte spielerisch und audiovisuell zu vermitteln: „VR-Games im Museum sind cool, weil sie Ausstellungsobjekte und deren Hintergrund greifbarer machen“, erläutert das Team Yabusame!!.

Last but not least kam auch der Nachwuchs zum Zug: Die heimlichen Stars des Tages waren junge Talente zwischen 12 und 17 Jahren. Erstmals in der Geschichte des Hackathons beteiligten sich Jugendliche an Coding da Vinci in der Kooperation mit „Hack To The Future“ – einem Programm der Initiative Kindermedienland Baden-Württemberg. Mehr Infos zu den Projekten der Nachwuchs-Coder*innen gibt es hier.

Quelle: Coding da Vinci Baden-Württemberg 2022

Mehr Infos:

Coding da Vinci Baden-Württemberg: Projekte
Coding da Vinci Baden-Württemberg: Preisverleihung 
Fotogalerie zur Preisverleihung 
Coding da Vinci Baden-Württemberg 2022

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Kontakt

Westphal im Portait
Maximilian Westphal

Projektleiter Digitale Kultur

Unit Medienprojekte und Services