Erbe bewahren, Innovationen wagen: Bauer Studios in Ludwigsburg

Vom legendären „Köln Concert“ bis zu YouTube-Studiokonzerten: In den Bauer Studios trifft Tradition auf neue Ideen.

Grafik mit zwei Personen, eine Frau und ein Mann.
Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm leiten die Bauer Studios. | © MFG Baden-Württemberg / Bauer Studios
Studio Konzert mit Elisabeth Lohninger.
Studio Konzert mit Maya Fadeeva - Musiker*innen nutzen die Konzerte oft direkt für Aufnahmen. | © Bauer Studios / Reiner Pfisterer
Orchester in Aufnahmeraum.
Im großen Studio finden viele Musiker*innen gleichzeitig Platz. | © Bauer Studios
| Ludwigsburg

Mit unserer Reihe HIER GEMACHT holen wir Hidden Champions der Kultur- und Kreativwirtschaft aus Baden-Württemberg ins Rampenlicht. Unternehmen und Personen, die im Land verwurzelt und weltweit gefragt sind – mit Ideen, die überraschen, verbinden und inspirieren.

Die Bauer Studios in Ludwigsburg zeigen, wie ein traditionsreiches Tonstudio unter neuer Leitung modern agiert und seine Geschichte für sich nutzt. Im Gespräch geben uns Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm Einblicke in eine Branche im Umbruch.

Tradition trifft auf moderne Produktionskonzepte

Die Bauer Studios sind das älteste privat geführte Tonstudio Deutschlands und blicken auf eine lange Geschichte zurück: Sie zeichneten das berühmte „Köln Concert“ von Keith Jarrett auf, vertonten die Egerländer Musikanten genauso wie kleine Blasorchester auf der Schwäbischen Alb oder den japanischen Jazzpianist Makoto Ozone – der viele Jahre später übrigens wegen eines Social-Media-Posts zur Geschichte der Studios erneut aus Japan für Aufnahmen nach Ludwigsburg anreiste. 

Heute verzeichnet das Studio Kunden wie Pur, den Rapper JID oder das Orchester Latin-Jazz Sinfónica und beschäftigt auf 800 Quadratmetern zehn Personen, inklusive Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm, die das Studio vor acht Jahren übernahmen. Eine spannende Aufgabe für das Tonmeister-Paar, damals Anfang 30 und ohne jegliche Pläne ein Unternehmen zu leiten. 

Studioübernahme: eine spannende Herausforderung

„Die Vorgänger, Eva Bauer-Oppelland mit Reiner Oppelland, haben aus Altersgründen Nachfolger gesucht“, erzählt Bettina Bertók-Thumm. Die ehemaligen Geschäftsführer sprachen das Paar, das sie durch Praktika in den Bauer Studios kannten, frühzeitig 2014 an. 

„Ich dachte, was für eine unglaubliche Perspektive“, erinnert sich Bettina Bertók-Thumm. Dennoch: Das Paar hatte nach dem Kennenlernen in Babelsberg seinen Lebensmittelpunkt als Freelancer zu dieser Zeit in Potsdam, hatte sich dort bereits einen Kundenkreis aufgebaut. „Wir waren uns dann aber einig, dass wir uns ärgern würden, wenn wir es nicht versucht hätten“, sagt Michael Thumm. Trotz anfänglicher Zweifel entschloss sich das Paar also, in Ludwigsburg die Studios zu übernehmen, Businesspläne zu schreiben, sich mit Banken auseinanderzusetzen und Verkaufsgespräche zu führen. 

Mit Erfolg: 2017 konnten sie die Bauer Studios übernehmen.

Studios im Umbau: Historische Inspiration, aber auch Videocontent

„Weil zunächst nicht klar war, ob es mit den Studios weitergehen würde, gab es einen Investitionsstau“, erzählt Bettina Bertók-Thumm von den Anfängen ihrer Geschäftsführung. „Renovierungs- und Umbaumaßnahmen haben wir deswegen gleich mit eingeplant.“ Eines der zwei Studios bauten Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm nach der Übernahme multifunktional für Musik- und Filmton-Postproduktion um, während das große Studio weiterhin viel Platz, zahlreiche Instrumente und ein imposantes Mischpult aus den 90ern bietet, das inzwischen aufgrund seines spezifischen Sounds wieder sehr gefragt ist.

„Die ältere Technik ist wieder im Trend“, sagt Michael Thumm. Manche Kund*innen wünschen sich bewusst diesen Klang oder wollen auf den vorhandenen Instrumenten spielen. „Erst im Mai war ein Pianist aus Schweden hier, inspiriert von dem alten Flügel und den geschichtsträchtigen Räumen“, erzählt der Geschäftsführer. „Es gibt nicht viele Orte, an denen so viel Musik in den Wänden klingt.“

A People’s Business: Aufnahmen für internationale Künstler*innen

Aber auch Kontakte helfen den Geschäftsführern. „Es ist ein People’s Business“, erklärt Michael Thumm. Die Bauer Studios hätten beispielsweise die Aufnahmen für Streicher für die taiwanesische Band Sodagreen gemacht. „Die sind dort Superstars.“ Warum sie ausgerechnet in Ludwigsburg Aufnahmen machen wollten? Der Dirigent, der früher bereits mit den Bauer Studios zu tun hatte, hatte das Unternehmen empfohlen.

KI und Streaming: Umgang mit Herausforderungen

KI-generierte Musik, schlechte Zahlungsbedingungen von Streamingplattformen – für Künstler*innen ist es immer schwieriger, Einkommen zu generieren. Live-Auftritte und Social-Media-Marketing sind deswegen wichtiger denn je.

Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm nahmen das zum Anlass, ihre Angebote umzustrukturieren. Neben der klassischen Musikproduktion und Sprachaufnahmen können Künstler*innen bei Tonaufnahmen direkt Videocontent für soziale Medien aufnehmen. Auch Servicelabels, die den Künstler*innen helfen, ihre Produkte zu veröffentlichen, bieten die Bauer Studios an. Sie übernehmen die Postproduktion für Filmton, wie zum Beispiel bei „Und Morgen die ganze Welt“, „Holy Meat" oder der Dokumentation „Wer 4 sind“ anlässlich des 30 Jahre Jubiläums der Band Die Fantastischen Vier. Live-Studiokonzerte ziehen zudem jeden Monat ein begeistertes Publikum an und Musiker*innen nutzen sie für Aufnahmen.

Know-how aus der Region für die Region

Ohne das Angebot, die Bauer Studios zu übernehmen wären Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm wohl erst einmal in Potsdam geblieben. Jetzt finden sie aber: Es gibt zahlreiche Vorteile, in Ludwigsburg zu wohnen. Hier ließen sich Familie, Lebensqualität und Nähe zum Studio verbinden. 

„Ich glaube, dass es hier noch viel Potenzial gibt“, sagt Bettina Bertók-Thumm aber auch auf die Frage nach dem Standort Ludwigsburg. Die Bauer Studios bekommen Aufträge aus anderen Teilen Deutschlands und international, es zeigt sich aber laut der Geschäftsführerin auch: Aufträge aus der Region werden oft an bekanntere Medienstandorte wie Berlin oder München vergeben. „Aber hier gibt es viel Know-how.“ Sie wünscht sich, dass mehr Auftraggeber sich trauen würden, Arbeiten in Baden-Württemberg zu vergeben.

Zukunftsperspektiven

Gefragt nach den Zukunftsperspektiven der Bauer Studios sind sich Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm einig: „Es wird sich viel verändern. Wie unsere Vorgänger versuchen wir, technische Entwicklungen zu antizipieren.“ So finden sie es sinnvoll, KI-Techniken zu erlernen und im Sinne der Kund*innen anzubieten.

Gleichzeitig setzen die Bauer Studios auf neue Social-Media-Formate wie die „Yellow Box Sessions“, die sie in Anlehnung an die bekannten Tiny Desk Concerts entwickelt haben, wollen die Postproduktion für Filme weiter ausbauen und neue Workshop-Formate anbieten. 

Anfang des Jahres gründeten Bettina Bertók-Thumm und Michael Thumm außerdem den „Klangkultur Freundeskreis der Bauer Studios“, ein gemeinnütziger Verein, der Musiker*innen überregional unterstützt.

Quelle: MFG Baden-Württemberg / Vlora Kleeb
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