"Es braucht mehr Accessibility und Safe Spaces, um den Einstieg für Frauen zu erleichtern."

Wie es ist, als Frau Game-Development zu studieren, erzählen Tabea Lunze und Elin Townsend im Interview.

Die Interviewreihe hat zum Ziel, das Engagement und die Darstellung von Frauen in diesem Markt und in Computer- und Videospielen genauer zu beleuchten. | Grafik: Ingo Jürgens
| Stuttgart

Tabea Lunze und Elin Townsend studieren Virtual Reality & Game Development an der Hochschule Heidelberg (SRH). Im Januar 2024 waren die Beiden beim THE LÄND Global Game Jam mit dabei. Mit dem THE LÄND Global Game Jam BW organisierte die MFG Baden-Württemberg mit Hochschul- und Unternehmenspartnern und unterstützt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg das größte zentrale Event für den Südwesten in Karlsruhe im Rahmen des weltweiten Global Game Jam.

Im letzten Interview der Reihe „Frauen in der Games-Branche in Baden-Württemberg“ erzählen Tabea und Elin, warum sich für ein Studium im Games-Bereich entschieden haben und was aus ihrer Sicht für den weiblichen Nachwuchs noch mehr getan werden muss. Die Interviewreihe zielt darauf ab, das Engagement und die Darstellung von Frauen im Games-Markt und in Computer- und Videospiele genauer zu untersuchen. Dazu geben Expertinnen aus der Branche Einblicke in ihren eigenen Werdegang, ihre eigenen Perspektiven zu aktuellen Entwicklungen und ihre Wünsche für die Stärkung der Frauen in der Games-Welt.

 

Warum habt ihr euch für ein Studium im Games-Bereich entschieden?

Tabea

Ich wollte immer etwas Kreatives machen. Ich habe mir überlegt, wo meine Stärken liegen: Ich male viel traditionelle Kunst und schreibe gerne Geschichten. In beiden Bereichen ist es jedoch schwierig, finanziell erfolgreich zu sein. Außerdem arbeite ich gerne im Team und übernehme organisatorische Aufgaben. Ich suchte nach einem Studiengang, der nicht so trocken ist wie BWL und bei dem ich meine Kreativität einbringen kann. Game-Design erschien mir als eine gute Mischung und die wachsende Games-Branche bietet zudem gute Aufstiegsmöglichkeiten.

Elin

Mein Abitur habe ich in den Fächern Chemie und Ernährungslehre gemacht, also etwas völlig anderes. Ich war jedoch immer von Geschichten fasziniert und habe im Abitur einen Kurs im Drehbuchschreiben belegt. Das reine Schreiben reichte mir nicht; ich wollte auch eine Verbindung zum Publikum spüren. Bei der Recherche stieß ich auf das Game-Design-Studium, das für mich die perfekte Mischung aus Storytelling und Logik darstellt. Mir ist es wichtig, eine ganzheitliche Erfahrung für die Spieler*innen zu schaffen.

Wie ist die Geschlechterverteilung bei euch im Studiengang?

Tabea

Ich würde sagen, dass es bei uns sehr ausgeglichen ist. Wir sind der erste Jahrgang, in dem das so ist; vorher war der Männeranteil höher. Insgesamt sind wir 46 Studierende. Es gibt verschiedene Schwerpunkte wie Game Design, Game Art, Technical Art, Game Programming und Virtual Reality. Im Programmierbereich gibt es keine Frauen, bei Virtual Reality sind es auch überwiegend Männer. Bei Technical Art ist es ausgeglichen und bei Game Art sind es fast nur Frauen. Es zeigt sich, dass die Schwerpunkte, bei denen viel Programmieren gefragt ist, meist von Männern gewählt werden, während die designorientierten Schwerpunkte eher von Frauen belegt sind.

Beeinflusst die Zusammenstellung der Projektgruppen das Ergebnis?

Tabea

Bisher habe ich meistens in gemischten Gruppen gearbeitet. Interessant ist, dass sich die Designentscheidung oft nach den Designern richtet. Beim Global Game Jam BW bestand unser Team fast nur aus Frauen. Unsere Spielidee war sehr klischeehaft, aber wir haben das genossen und uns eine gewisse Herzlichkeit bewahrt, die in gemischten Teams oft fehlt.

Elin

Aktuell arbeite ich in einer gemischten Gruppe, habe aber auch schon in einer reinen Frauengruppe gearbeitet. Beides funktioniert gut, aber es gibt Unterschiede in der Durchsetzungsfähigkeit. Manche Frauen berichten, dass sie in gemischten Gruppen nicht ernst genommen werden. Diese Erfahrung habe ich zum Glück noch nicht gemacht.

Gibt es bestimmte Themen, die ihr gerne in Games einfließen lasst oder lassen möchtet?

Tabea

Meine männlichen Kommilitonen bevorzugen oft skillbasierte Spiele mit vielen Fähigkeiten und Gegnern, die sehr komplex sind. Frauen hingegen neigen zu narrativen, tiefgehenden und emotional ansprechenden Spielen. Beim Global Game Jam BW haben wir einen Dating Simulator entwickelt, der uns viel Spaß gemacht hat. Uns ging es mehr um die Reise als darum, dass der Spieler das Spiel gewinnen muss.

Elin

Mir sind verschiedene Arten der Repräsentation sehr wichtig. Vor allem, dass Personen nicht negativ repräsentiert werden. Als queere Person ist mir LGBTQ-Repräsentation besonders wichtig. Es ist wichtig, Narrative zu vermeiden, die stereotypisch oder problematisch sind.

Was wünscht ihr euch persönlich für die Zukunft, um als Frauen in der Games-Branche Fuß zu fassen?

Tabea

Ich wünsche mir Veranstaltungen, bei denen Frauen sich austauschen können. Frauen, die von ihren Erfahrungen berichten und Tipps geben. Es ist wichtig, Erfahrungswerte zu bekommen und Kontakte zu knüpfen.

Elin

Für mich sind Accessibility und Safe Spaces sehr wichtig. Oft wachsen Jungs eher mit Videospielen auf, während Mädchen später Zugang finden. Manche Spiele sind nicht für Anfänger ausgelegt, was zu Ausgrenzung führen kann. Zudem werden Frauen in Multiplayer-Spielen manchmal schlecht behandelt, was abschreckend wirkt.

Und noch eine letzte Frage zum Schluss: Welches ist aktuell euer Lieblingsgame und warum?

Tabea

Das ist einfach: Baldur's Gate 3. Ich spiele es seit Oktober und es macht Spaß, sich in der großen Welt frei zu bewegen und seine eigene Persönlichkeit ins Spiel einzubringen.

Elin

Ich spiele sehr gerne Planet of Lana, ein Jump'n'Run-Spiel. Es ist wunderschön gemacht und erzählt eine Geschichte durch Kunst und Soundtrack ohne viel Text. Es war ein guter Einstieg für meine Projektarbeit, in der es darum geht, wie man viel Story und Emotionen einbindet, ohne dass der Spieler viel lesen muss.

Games BW

Die MFG Baden-Württemberg unterstützt Entwickler*innen und Games-Unternehmen aus dem Südwesten: Unter dem Label Games BW bietet die MFG finanzielle Förderung, Gründungsprogramme sowie Vernetzungs- und Vermittlungsangebote für die Games-Branche an. Auf der Plattform Games BW zeigt die MFG die Vielfalt dieser lebendigen Games-Szene und schafft Sichtbarkeit. Games BW wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg.

Reihe "Frauen in der Games-Branche"

Bisher erschienen:

Teil 1: "Eine vielfältige Repräsentation ist das Ziel" mit Prof. Dr. Sabiha Ghellal von der Hochschule der Medien Stuttgart

Teil 2: "Eine finanzielle Förderung ist für die Stärkung von Frauen essenziell“ mit Kathrin Radtke von Spellgarden Games und  game Baden-Württemberg

Teil 3: "Der Traum von der Arbeit in der Games-Branche ging in Erfüllung" mit Anna Hörner von Gameforge

Teil 4: "Das Thema Diversität ist in der Branche definitiv präsent" mit Iris Harr von der MFG Baden-Württemberg

Teil 5: "Es ist wichtig, dass Frauen auf Bühnen ihre Erfahrungen teilen" mit Clara und Luzie von Mucks! Games

Teil 6: "Es braucht Diversifikation vor und hinter dem Bildschirm und eine offene Branche" mit Lea Schönfelder von Fein Games

Teil 7: „Es braucht mehr Accessibility und Safe Spaces, um den Einstieg für Frauen zu erleichtern" mit Tabea Lunze und Elin Townsend der Hochschule Heidelberg

Quelle: Zoe Jakob / MFG Baden-Württemberg
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