Why so serious?! Game-Entwicklung in und mit Museen

Warum es sich für Museen und Kultureinrichtungen lohnen kann, sich mit Gaming und VR zu beschäftigen und Möglichkeiten des spielerischen Lernens zu schaffen.

Mann arbeitet am Computer, anderer Mann schaut auf Bildschirm.
Engagierte Arbeit beim Hackathon Coding da Vinci. | Foto: Bild: Tanja Meißner
| Baden-Württemberg

Menschen spielen gerne – schon immer, für immer. Regelmäßig zeigen wissenschaftliche Studien, dass "spielerisches Lernen" ein Erfolgsmodell ist – mit dem Konzept der Gamification begegnet uns diese Erkenntnis in unterschiedlichsten Situationen des Alltags. Bei sogenannten Serious Games steht ein unterhaltendes Lernerlebnis im Vordergrund, weshalb sie gerade in der kulturellen Bildung und im Umfeld digitaler Kulturschätze eine ideale Anwendung finden.

Spiele und VR-Erlebnisse auf Basis von Kulturdaten

Die MFG Baden-Württemberg eröffnete mit Projekten wie Open Culture BW oder Coding da Vinci Möglichkeitsräume für die Entwicklung von Anwendungen, Spiele-Prototypen und VR-Anwendungen auf Grundlage von Kulturdaten. Die Verknüpfung von Kultur und Technologie kann Ausgangspunkt für innovative und zeitgemäße Zugänge zu kulturellem Erbe sein. Wie steht es um aktuelle Entwicklungen von Serious Games im Kulturbereich, insbesondere in Museen, und ihre Bedeutung für die Vermittlung und den Erhalt kultureller Erinnerung in der Zukunft? Die Longlist des digAmus-Award 2024 zeigt, dass das Interesse an Games im Museum ungebrochen ist.

Sensible Annäherung an jüdische Schicksale

Die Nominierungen sind vielfältig und die Jury wird gewiss keine einfache Wahl haben. Zum Start von "Last seen" finden sich Spieler*innen nach einer kurzen Einführung alleine in einem Dachboden und dürfen in Regalen, Kisten und Fächern nach historischen Bildern und Quellen suchen, um das Rätsel einer Foto-Serie zu lüften. Das Spiel ermöglicht auf sensible Art die Annäherung an persönliche Schicksale von deportierten Jüd*innen, als würde man im Nachlass der eigenen Familie forschen. Ergreifend aufbereitete Inhalte helfen bei der Entschlüsselung der Bilder. Die vielen Logos der Projektpartner aus Forschungseinrichtungen und Gedenkstätten, lassen die Ressourcen erahnen, die es für eine solche Spielentwicklung braucht.

Historisches Storytelling funktioniert gut

Auch für die Entwicklung von "Magic Roads to Aliso" bündelten drei archäologische Museen Ressourcen und Expertisen, wobei der Ankündigungstext für museale Vermittlung durchaus ungewohnte Töne anstimmt und neugierig macht: "Tanzende Skelette, eine mysteriöse germanische Seherin und Hühner, die die Zukunft vorhersagen!" Deutlich wird bei den #digAmus-Projekten: historisches Storytelling oder archäologische Erkundungen scheinen in Gaming-Konzepten besonders gut aufzugehen. Dies beweist auch das Browsergame „Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie“, mit dem das Friedrich-Ebert-Haus Heidelberg den Spieler*innen einen Einblick in die Geschichte der Weimarer Republik vermitteln möchte. Das Spiel wurde Sondermitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) speziell für den Einsatz im Unterricht konzipiert und gemeinsam mit der Agentur Playing History entwickelt.

Digitale Sammlungen für die Weiternutzung

Das mit weitaus weniger Ressourcen produzierte Open-Source-Projekt "GLAMorous Europe" ist nicht minder wertvoll: ein Generator von Vorschlägen für digitale Sammlungen, die für Nutzer*innen von Interesse sein könnten – da die Rechte für die Objektdigitalisate hier im Regelfall mit Creative-Commons-Lizenzen für die Weiternutzung bestimmt sind, könnten die Ergebnisse vielleicht auch Inspiration für neue Spielideen bieten…

Spielerische Pfade in Baden-Württemberg

Mit "Der Verlorene Pfad" ist ein weiteres Spiel aus Baden-Württemberg auf der Longlist des #digAmus-Award vertreten. Das Franziskanermuseum Villingen-Schwenningen lädt mit der Augmented-Reality-Anwendung ein, das Keltische Fürstengrab Magdalenenberg im Wandel der Zeit zu entdecken. Ähnlich wie in einer Geocaching-App können Nutzer*innen Stimmen aus der Vergangenheit finden, die sich nach und nach zu einer Geschichte zusammenfügen. Die App kombiniert Elemente eines Audioguides mit fiktiven spielerischen Ansätzen: Gelingt es den Spieler*innen, die Geschichte zu entschlüsseln, können sie mittels 360-Grad-Rekonstruktionen den Grabhügel in vier verschiedenen Epochen betrachten.

Die Entwicklung in Zusammenarbeit mit NUMENA schließt an das vorangegangene Projekt "GeheimnisGräberei" an, das im Rahmen des Coaching-Programms "Museen im Wandel" entstand: "Wir konnten Erfahrungen aus dem ersten Projekt vielfach nutzen: Wir wandten zum Beispiel wieder eine agile Arbeitsweise an und griffen auf den Bürgerbeirat zurück, der bereits die Entwicklung von "GeheimnisGräberei" begleitete, sagt Peter Graßmann, Projektleiter im Franziskanermuseum Villingen-Schwenningen.

Kooperationen mit Studierenden

Neben den aktiven Studios sind auch werdende Gamedesigner*innen im Studium potentielle Partner*innen für Museen. Offen für Anfragen aus Kultureinrichtungen ist beispielsweise Thorsten Zimprich, Professor und Studiengangsleiter für Game Design (B.A.) an der IU Internationale Hochschule: "Wir bilden unsere Studierenden möglichst praxisnah zu angehenden Gamedesignern und Gamedesignerinnen aus, darum ist jedes Praxisprojekt ein wichtiger Baustein auf ihrem Weg zur Gamedesignmeisterschaft", sagt er. "Mir persönlich ist es wichtig, den Bildungsauftrag nicht beschränkt auf die zu vermittelnde Gamedesignexpertise zu sehen, sondern Spiele auch in den gesellschaftlichen und kulturellen Werte schöpfenden Kontext einzubeziehen. Darum sind mir Kooperationen mit Museen ein besonderes persönliches Anliegen. Die Kombination aus unserer Gamedesignexpertise und der Fachexpertise in Museen kann die Magie der Medien entfesseln: wir wollen den digitalen oder analogen Spiele-Raum mit dem Museums-Raum in einem durchgängigen Besuchs(-spiele-)erlebnis verschmelzen."

Ob großes Engagement der Beteiligten oder Budget-Bedarfe, die durch Förderprogramme oder Unterstützung von Stiftungen gestemmt werden müssen – alle Projekte eint der Mut, sich an diese Form der Kulturvermittlung zu wagen. Dabei könnte eine Unterstützung für die Zusammenarbeit von Museen und Game-Studios auch die Games-Förderung des Landes Baden-Württemberg bieten – im Jahr 2024 mit einem Volumen von insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Games made in Baden-Württemberg

Die MFG Baden-Württemberg fördert unter dem Label GamesBW Entwickler*innen und Games-Unternehmen aus dem Südwesten und bietet ihnen sowohl finanzielle Unterstützung als auch Vernetzungs- und Vermittlungsangebote. Diese Förderung für digitale Games ist durchaus auch für Museen und Kultureinrichtungen interessant.

Im Rahmen von GamesBW bietet sich eine Kooperationsmöglichkeit für Museen und Kultureinrichtungen mit Games-Studios, von der beide Seite profitieren können. Museen könnten Games-Studios zum Beispiel Datensätze wie digitales Bildmaterial oder digitalisierte Museumsobjekte zur Verfügung stellen oder inhaltliche Expertise und Textbausteine für Games beitragen. Denkbar sind sowohl digitale Spiele, die abgekoppelt von Museumsräumen eine bestimmte Thematik aufgreifen, als auch digitale Spiele, die im Museum vor Ort erlebbar sind.

Geisterstunde im Museum mit VR

Ein Beispiel für eine Kooperation zwischen einem Museum und einem Games Studio beziehungsweise der Kreativagentur Pixelcloud mit Fokus auf Games findet sich im Residenzschloss Ludwigsburg: Gäste können dort via Virtual Reality eine interaktive Geschichte zur Geisterstunde erleben oder in einem virtuellen Rundgang die Räume der Dienerschaft erkunden.

Für Museen und Kultureinrichtungen, die an der GamesBW Förderung interessiert sind, gilt es zu beachten: Der Förderantrag muss von einem Games-Studio gestellt werden, bei dem auch mindestens 50 Prozent der Rechte für das Projekt verbleiben. Geförderte Projekte müssen außerdem Einnahmen generieren.

Games-Studios unverbindlich kennenlernen

Wer sich für diese Möglichkeiten interessiert und unverbindlich mit Games Studios in Kontakt treten möchte, ist herzlich zu den Vernetzungsangeboten der MFG Baden-Württemberg eingeladen. Bei der Open Stage Games BW kommen regelmäßig Akteur*innen der Gamesbranche zusammen und tauschen sich aus. Der nächste Termin findet am 8. Mai in Stuttgart statt. Mitarbeitende von Museen und Kultureinrichtungen können hier ungezwungen in den Austausch gehen oder auch schon mit einem konkreten Projektvorschlag an die Teilnehmenden aus der Games-Szene herantreten.

Ideen oder Fragen?

Welche spielerischen Anwendungen aus Kultureinrichtungen sollten wir unbedingt ausprobieren und in einem nächsten Artikel erwähnen? Haben Sie Anregungen oder Fragen zur Förderung und Games-Entwicklung in Baden-Württemberg? Wir freuen uns über Ihre Nachricht!

Quelle: MFG Baden-Württemberg / Maximilian Westphal / Vlora Kleeb
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