Jeden Monat stellen die Mitarbeiter*innen aus dem Kompetenzfeld Digitale Kultur einen Fund aus Kunst, Kultur oder (Fach-)Literatur vor. In diesem Monat empfiehlt Jakob Wössner das Foto-Entdeckungsspiel #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen.
Was hast du dabei?
#LastSeen ist ein digitaler Foto-Atlas mit spielerischen Elementen. Die Spielenden werden mit einer Recherche beauftragt und entdecken in einem realistisch animierten Dachboden-Setting Fotos und Quellen zu NS-Deportationen. Dabei wird nicht nur das Thema vermittelt, sondern auch Forschungsarbeit realistisch spielbar. Das Spiel ist kostenlos und jederzeit online abrufbar.
Was spricht dich an?
Das Spiel konzentriert sich auf das historische Material und spannt trotzdem einen adäquaten Rahmen, in dem Aufgaben, Lerneinheiten, Protagonist*innen und Spielziele enthalten sind wie in handelsüblichen Games. #Lastseen bietet dazu eine Spielmechanik an, die sich dem komplexen und anspruchsvollen Thema der NS-Deportationen mit gebührender Achtsamkeit anpasst und trägt gerade deswegen zu einem immersiven Erlebnis bei.
Hast du eine Lieblingsstelle?
Ich stelle bei diesem Fundstück keine Lieblingsstelle vor, aber Lieblings-Assets. Assets sind alle digitalen Ressourcen, die im Game Design verwendet werden, also digitale Inhalte wie visuelles Design und Mediendateien, Animationen oder Sounds. Im vorliegenden Spiel werden Fotos und Texte verwendet, wie sie bei vielen Museen und Kultureinrichtungen vorliegen. Über das Setting und die Spielmechanik wird die ursprüngliche physische Form des Materials, also gedruckte Fotos und Archivalien in Papierform, gekonnt in die digitale Umgebung übertragen ohne "Reibungsverlust" zu erzeugen. Als Spielmechanik besonders gelungen ist das Notizbuch, was es erlaubt Hinweise aus den Bildern zu notieren, um diese dann später in der Auswertung zu nutzen. Auf einer Fotografie ist etwa ein blühender Kirschbaum zu sehen, so kann die Jahreszeit eingegrenzt werden, in der die Eisenacher Deportation stattfand. Diese Information wird später genutzt, um den Blog-Beitrag zu vervollständigen und das Spielziel zu erreichen.
#LastSeen schafft es außerdem, das Phänomen "chocolate-covered broccoli" zu vermeiden. Wie der Versuch, einem wählerischen Gast, gesunden Brokkoli mittels Schokoladenglasur unterzujubeln, scheitern manche "Serious Games" daran, ihre komplexen Inhalte spannend zu vermitteln, in dem eine unpassende oder wahllos erscheinende Spielmechanik die Inhalte darstellt. Bei #LastSeen gelingt dagegen der Spagat zwischen historischer Darstellung und Spielidee in einem klar abgesteckten Setting sehr überzeugend.
Wem empfiehlst du das?
Vor allem Museumsmitarbeitenden und Kreativen aus der Gaming-Branche und Gaming-Communities. #LastSeen ist ein toller Einstieg in Serious Games, aber auch ein tolles Good-Practice-Beispiel aus dem weiten Feld der GLAM-Institutionen. Es zeigt, dass auch komplexe und anspruchsvolle Inhalte spannend und glaubhaft vermittelt werden können, wenn die richtige Spielidee gefunden ist.
Welche anderen Games aus dem Museumsbereich kennt ihr? Schreibt uns an digitalekultur@mfg.de – wir freuen uns auf eure Vorschläge!