Professionell & etabliert – Museumspodcasts sind endgültig angekommen

Podcast-Experte Matthias Stier ordnet die aktuellen Chancen und Potenziale von Museumspodcasts ein.

Mann steht lächelnd und mit verschränkten Armen vor einer Treppe.
Matthias Stier leitet beim Deutschen Technikmuseum Berlin den Bereich Digitale Strategie und kennt sich bestens mit Podcasts aus. | © Matthias Stier
| Baden-Württemberg

Matthias Stier leitet beim Deutschen Technikmuseum in Berlin den Bereich Digitale Strategie und realisierte dort den Podcast "Auf dünnem Eis. Der Polar-Podcast für Kinder", der 2024 mit dem DigAMus-Award ausgezeichnet wurde. Für die MFG Baden-Württemberg produzierte Matthias Stier mehrere Podcasts für das Coachingprogramm Museen im WandelIm Juli-Newsletter aus dem MFG Kompetenzbereich Digitale Kultur widmet er sich in einem Gastbeitrag der Frage, ob sich Podcasts für Museen lohnen – und wenn ja, wie.

 

"Lass mal schnell einen eigenen Museumspodcast machen!" - Die Zeiten, in denen sich Museumsmitarbeitende einfach vor ein Mikrofon gesetzt und mit wenigen Mitteln einen eigenen, leicht verrauscht aber immerhin handgemacht klingenden Podcast produziert haben, scheinen vorbei zu sein. Aus der Audio-Nische ist ein florierendes Business geworden. Podcast-Agenturen betreiben gezielt Akquise und bieten Museen ihre Dienste an. Kulturinstitutionen müssen inzwischen genau hinschauen, wo sie im umkämpften Podcast-Markt noch eine freie Stelle für ihre Inhalte finden. Aber was braucht es, damit Museen auch heute noch einen erfolgreichen Podcast starten können? Wie können kreative Formatideen, innovative Marketingkonzepte und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zum Gelingen beitragen? Es lohnt sich, einen genauen Blick auf die aktuellen Entwicklungen bei Museumspodcasts zu werfen!

70.000 deutschsprachige Podcasts

Podcasts sind angekommen. In einer Umfrage gaben 2024 bereits 45 % der Deutschen an, zumindest hin und wieder Podcasts zu hören. Alleine auf der Audioplattform Spotify gib es inzwischen über 3,6 Millionen Podcasts, davon 70.000 deutschsprachige Formate.

Agenturen und Promis

Zwei Trends lassen sich bei deutschen Museumspodcasts ablesen: Zum einen lagern Museen die Podcast-Produktion vermehrt an Podcast-Agenturen aus. Sie beauftragen also Unternehmen mit der Konzeption und Produktion ihrer Audio-Angebote.

Zum anderen greifen Museen öfter auf externe, teilweise sogar prominente Podcast-Moderator*innen zurück. Diese bringen durch ihr Netzwerk und ihre Bekanntheit eine Reichweite mit, die sich positiv auf den Erfolg des Museumspodcasts auswirken kann.

Alle fünf Produktionen auf der Shortlist des DigAMus-Awards 2024 in der Kategorie Podcasts wurden entweder komplett von Podcast-Agenturen produziert oder zumindest von professionellen Sprecher*innen eingesprochen. Auch der Promi-Faktor kommt nicht zu kurz, denn die bekannte Nachrichtensprecherin und Moderatorin Linda Zervakis ist Gastgeberin bei "Monet - Zeiten des Umbruchs" des Museum Barberini in Potsdam.

Mit dem DigAMus-Award 2024 in der Kategorie Podcast wurde übrigens unsere Produktion  "Auf dünnem Eis. Der Polar-Podcast für Kinder" ausgezeichnet, die wir im Deutschen Technikmuseum in Berlin gemeinsam mit studiodrei realisiert haben. Das Besondere an dieser Produktion ist, dass sich der Podcast explizit an die Zielgruppe Kinder und Familien richtet. „Auf dünnem Eis“ nimmt die Hörer*innen mit auf eine Expedition in die Arktis und thematisiert dabei wissenschaftliche Forschung und die Auswirkungen des Klimawandels. An jeder Folge ist ein Kinder-Podcast-Team beteiligt, das Forscher*innen und Expeditions-Teilnehmer*innen eigene Fragen stellt.

Podcast-Werbung und Sponsoring eröffnen neue finanzielle Möglichkeiten

Die Professionalisierung der Podcast-Produktion erhöht den Druck auf finanziell schwächer aufgestellte Museen. Sie müssen überlegen, ob es für sie überhaupt möglich ist, mit begrenztem Budget einen Dienstleister mit der Produktion eines Podcasts zu beauftragen. Entwickeln Museen einen Podcast gleich über mehrere Staffeln, müssen sie fortlaufende finanzielle Kosten einplanen.

Um große und aufwendige Produktionen trotzdem stemmen zu können, bietet es sich für Museen an, sich auf die Suche nach Unterstützer*innen zu machen. Für die bekannten und erfolgreichen Podcasts "Finding van Gogh" vom Städel Museum in Frankfurt und "Beats & Bones" vom Museum für Naturkunde in Berlin konnten die Institutionen Medienpartner*innen und Sponsor*innen gewinnen. Umfragen zeigen übrigens, dass Hörer*innen Werbung und Anzeigen in Podcasts zu großen Teilen nicht ablehnend gegenüberstehen, wenn diese gut in die Folgen integriert und zum Beispiel authentisch vom jeweiligen Host vorgetragen werden.

Marketing als Erfolgsfaktor

Das richtige Marketing entscheidet über den Erfolg von Podcasts. Gerade bei begrenzten Marketingressourcen ist es umso wichtiger, diese effektiv einzusetzen. Museen haben dies erkannt und nutzen immer öfter die Reichweite anderer etablierter Podcasts und Influencer*innen, um auf ihre eigenen Produkte hinzuweisen. Die Kunsthalle Karlsruhe schaltete für ihre Podcasts "Kunstschnack“ und „Kunstcouch" Werbung in den überaus erfolgreichen deutschen Podcasts "Hotel Matze" und "Piratensender Powerplay".

Die Zusammenarbeit mit Multiplikator*innen auf Plattformen wie TikTok und Instagram bietet die Möglichkeit, ein junges, digitales Publikum zu erreichen. Bei den 16 bis 29-jährigen geben bereits mehr als die Hälfte (52 Prozent) an, Podcasts zu hören.

Ist der Markt schon gesättigt? Haben wir jetzt schon alles gehört? Geht da noch was bei Podcasts? Spotify, eine der größten Podcast-Plattformen, gibt im März 2023 Einblick in seine Strategie. Bei Spotify sieht man eine steigende Bedeutung von Videopodcasts. Viele Podcaster*innen veröffentlichen bereits zusätzlich zur reinen Audiospur ihre Podcasts als Videos auf YouTube. Die Inhalte lassen sich so leichter über Social-Media-Plattformen teilen und fallen mehr auf, wodurch sie ein höheres Engagement erhalten. Sie werden also öfter aufgerufen, erhalten mehr Kommentare und Bewertungen als Audio-only-Podcasts. Video-Podcasts könnten zum neuen Standard werden. Hier liegt eine Chance für Museen, nicht nur über ihre Inhalte zu sprechen, sondern diese zukünftig auch in Video-Podcasts visuell zu präsentieren.

KI hat das Potenzial, den Podcast-Markt deutlich zu verändern

Eines ist jetzt schon klar: Auch Künstliche Intelligenz wird im Podcast-Markt ihre Spuren hinterlassen. Die Einsatzmöglichkeiten von KI scheinen unbegrenzt. Transkription der Podcast-Folgen, Übersetzung, Audio-Verbesserung, Text-to-Voice, Audio-zu-Gebärdensprache – Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Produktion von Podcasts nicht nur deutlich zu verändern und zu beschleunigen, sondern die Ergebnisse auch in verschiedenen Sprachen weltweit und barrierefreier verfügbar zu machen.

Durch die Verwendung von KI kann der Aufwand bei der Podcast-Produktion sinken, allerdings werden neue Expertisen erforderlich, um die neuen Tools erfolgreich nutzen zu können. Wenn Museen zukünftig alleine durch das Eingeben kluger Prompts in kurzer Zeit einen eigenen Podcast erstellen können, wird es umso wichtiger, sich mit den richtigen Methoden des Promptings auseinanderzusetzen. Erste Ergebnisse dieser Entwicklung zeigen sich zum Beispiel bei Radio-Angeboten. So bietet der online Kanal "bigGPT" von bigFM ein komplett KI-basiertes Radioprogramm mit synthetischer Stimme, KI-generierten Inhalten und den Top 40 der meistgestreamten Songs im Netz.

Im Trend: Corporate Podcasts

Verfolgt man die einschlägigen Blogs und LinkedIn-Kanäle zeigt sich ein weiterer Podcast-Trend, bei dem die Mitarbeitenden von Unternehmen selbst die Zielgruppe sind: Corporate-Podcasts. Diese werden zumeist intern veröffentlicht, richten sich also nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern nur an die eigene Belegschaft. Mit Corporate-Podcasts verfolgen Firmen und Institutionen das Ziel, die eigenen Mitarbeiter*innen noch besser zu informieren und stärker an das Unternehmen zu binden. Das Deutsche Technikmuseum setzt bereits seit mehreren Jahren auf das Podcast-Format "Neues aus der Direktion", um das Museumsteam über interne Neuigkeiten zu informieren sowie aktuelle Projekte und neue Kolleg*innen vorzustellen.

Museumspodcasts sind endgültig angekommen. Sie haben sich etabliert und deutlich professionalisiert. Trotzdem bleibt weiterhin genug Spielraum für Kreativität, für das Ausprobieren, Selbermachen und Sich-Trauen. Neue Video-Podcast-Formate, Erzählformen und Zugänge - die Geschichte der Museumspodcasts ist noch nicht auserzählt und es ist Zeit, das nächste Kapitel aufzuschlagen.

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Quelle: Matthias Stier
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